
Fachkräfte in der Pflege leiden weiter
Es war der überaus medienpräsente Gesundheitsminister Spahn, der in seiner Amtszeit für die Problematik der Fachkräfte in der Pflege eine konzertierte Aktion des Bundes angekündigt und letztlich auch initiiert hatte. Ziel der sogenannten KAP ist es, „den Arbeitsalltag und die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften spürbar zu verbessern, die Pflegekräfte zu entlasten und die Ausbildung in der Pflege zu stärken.“ Das Ganze steht bis heute unter der Leitung des Gesundheitsministeriums. In Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Arbeit und dem für Familie, sind die Bundesländer, die Bundesagentur für Arbeit, verschiedene Pflegeberufs- und Ausbildungsverbände, Verbände der Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, die Kirchen, Berufsgenossenschaften und die Kranken- bzw. Pflegekassen beteiligt.
Inzwischen hat die KAP fünf Jahre damit verbracht, die Ursachen der negativen Entwicklungen zu analysieren und ihre Ziele zu definieren. In den bisherigen Studien und Berichten wurde dazu viel geschrieben, ordentlich Eigenlob proklamiert, nur wirklich verändert hat sich bisher noch relativ wenig. Schlussendlich ist den Entscheidern auf Bundesebene immer noch nichts Besseres eingefallen, als auf ausländische Fachkräfte auch in der Pflege zu setzen. Länder wie Brasilien, Mexiko und inzwischen auch Indonesien stehen auf der Liste der Begehrlichkeiten ganz oben. Ganz so, als ob sich mit der Abwerbung dortiger Fachkräfte irgend etwas bei uns in der Pflege zum Guten wenden würde. Schließlich bleiben die Bedingungen im Großen und Ganzen doch immer noch die gleichen. Es ist zu vermuten, dass Fachkräfte in diversen Ländern auch davon Kenntnis haben.
Missstände seit vielen Jahren unverändert
Die Bezahlung in der Altenpflege ist schon lange ein Ärgernis, vor allem für die Fachkräfte selbst. Hinzu kommen immer mehr Aufgaben, die als Pflichtbestandteil in das nicht gerade üppige Gehalt hineingepresst werden. Nicht wenige Fachkräfte kapitulieren jährlich vor diesem Ärgernis und schmeißen die Flinte ins Korn. Geschätzt haben rund 400.000 Fachkräfte aus der Pflege in den letzten Jahren ihren Beruf entnervt an den Nagel gehängt. Der potenzielle Nachwuchs orientiert sich natürlich an derlei Erfahrungen, das Internet macht’s möglich.
Diese Lücken sollen nun Fachkräfte aus dem Ausland füllen, als Notnagel sozusagen. Denn neben offenkundigen Anpassungsqualifizierungen, die vielfach nötig sind, schlagen erst einmal Vermittlungs- und Verwaltungskosten zu Buche. Dass sich hieran nicht auch noch eine sehenswerte und vor allem faire Vergütung anschließen kann, versteht jeder wirtschaftlich Versierte mit Kenntnis aktueller Pflegesätze. Das Lohnniveau wird demnach den Ausschlag für diese Fachkräfte geben. Das Interesse ist somit vor allem bei den Anbietern am größten, die ohnehin am untersten Rand des Erträglichen agieren.
Natürlich gibt es eine Vielzahl von Anbietern in der Pflege, die seit jeher großen Aufwand bei der Ausbildung ausreichenden und qualifizierten Nachwuchses gelegt haben. Das sind die gleichen Anbieter von Pflegeleistungen, die ihrem Personal durchgehend bestmögliche Bedingungen bieten. Dort tun sich verständlicherweise immer nur sporadisch Lücken im Bereich der Fachkräfte auf, die sich dann aber auch relativ zügig wieder schließen lassen. Man muss aber auch dort verstärkt damit werben, was man alles zu bieten hat.
Eigene Ressourcen werden seit Jahren verschmäht
Immer noch gibt es eine große Anzahl ausgebildeter Fachkräfte in der Pflege, die ihren Beruf und die damit verbundenen Aufgaben lieben. Nach einer aktuellen Studie wären 300.000 Pflegekräfte durch Rückkehr in den Beruf oder Aufstockung der Arbeitszeit bereit, in Vollzeit zu arbeiten und stünden damit zusätzlich zur Verfügung. Dies allerdings nur, wenn sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich verbessern. Um den Wiedereinstieg zu erleichtern, sahen die Befragten vor allem Schulungen und Training als wichtiges Mittel an. Auch Schnuppertage können die Rückkehr erleichtern.
Wenn diese grundsätzliche Liebe für den Beruf sorgsam gepflegt und mit ausreichenden Mitteln unterlegt wird, dann erübrigt sich die Diskussion um einen Mangel bei den Fachkräften in der Pflege von selbst. Auf der Strecke bleiben über kurz oder lang nur die Anbieter fragwürdiger Arbeitsbedingungen. Auch das regelt der Markt ganz zuverlässig.
Konzertierte Aktionen könnten sich also vor allem mit einer auskömmlichen Finanzierung und weiteren administrativen Notwendigkeiten im Pflegebereich verbessernd auseinandersetzen. Statt teurer Dienstreisen zur Rekrutierung vor allem fremdsprachiger Pflegekräfte, kann die tägliche Energie der Beteiligten auch im Forcieren optimaler Rahmenbedingungen verbraucht werden. Die Nachhaltigkeit ist mit großer Wahrscheinlichkeit an deutlich bessere Ergebnisse geknüpft.
Fachkräfte brauchen Respekt und Anerkennung
Es braucht vernünftig kalkulierte Pflegesätze und verbesserte Personalschlüssel überall in der Pflege. Der Beruf soll am Ende jeden Tages einen Sinn ergeben. Pflege heißt Verantwortung. Dem muss man auch Rechnung tragen dürfen. Was im Berufsbild und in der Lehrzeit vermittelt wird, das soll sich im täglichen Dienst auch widerspiegeln. Dann macht es für junge Menschen wieder Sinn, diesen Beruf zu wählen und langfristig darin zu verbleiben.
Dem bisher weit verbreiteten Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit und der offenkundigen Verschleuderung vorhandener Reserven ist nur beizukommen, indem die Bedingungen radikal geändert werden. Das beginnt mit einer gerechten Bezahlung und mit einer generellen Bereinigung undurchsichtiger Geldflüsse. Es kann nicht sein, dass trotz solidarischer Pflegeversicherung die Last für die Angehörigen wächst. Gleichzeitig verharren die Pflegekräfte selbst aber auf ihren viel zu oft gezahlten Minimal-Gehältern.
Anreizsysteme und Unterschiede beim Gehalt darf es natürlich auch hier geben. So wie in anderen Berufen und Betrieben auch. Doch dafür haben die einzelnen Betreiber und Einrichtungen selbst zu sorgen. Lockangebote auf Kosten der Allgemeinheit schaffen immer nur neue Missverhältnisse und vor allem falsche Anreize für den Beruf. Der Staat muss allein die Basis auskömmlicher Vergütung bei der Pflege des Einzelnen sichern. Damit wäre der größte und wichtigste Schritt im Kampf gegen den Personalnotstand getan. Alles andere folgt den Mechanismen des freien Marktes, bei dem der Empfänger der Dienstleistung ohne Wenn und Aber im Mittelpunkt stehen muss.
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