Handlungsbedarf: Wenn die Vergütung ausbleibt

Handlungsbedarf: Wenn die Vergütung ausbleibt

Handlungsbedarf: Wenn die Vergütung ausbleibt

Die Corona-Pandemie hat vieles im Land auf den Kopf gestellt. Betrieben wurde die Arbeit über mehr oder weniger lange Zeit untersagt, Wirtschaftskreisläufe erfuhren ungeahnte Dellen, die bis heute nachwirken. Hinzu kamen nun auch noch weitere Probleme: Steigende Energie- und Rohstoffkosten, unterbrochene Lieferketten und Lieferengpässe machen inzwischen der gesamten Wirtschaft zu schaffen. Dass derlei Unsicherheiten sich auch auf die Zahlungsmoral auswirken,  das ist eine der Reaktionen in der Kette negativer Folgen. Doch damit geraten auch viele Betriebe in Existenznot. Relativ zügig schlägt die in Not geratene Zahlungskette durch bis zur finanziellen Schmerzgrenze des betroffenen Unternehmens. Spätestens dann ist auch der Verdienst der Belegschaft in Gefahr.

Geben und Nehmen, das ist die Grundstruktur gegenseitiger Verträge.

So schuldet im Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer die vereinbarte Aufwendung seiner Arbeitskraft, der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei Fälligkeit die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Fällig ist die Vergütung in der Regel am Ende eines Monats. Manchmal ist vertraglich auch ein anderer Zahlungstermin geregelt. Hat der Arbeitgeber die Vergütung nicht pünktlich gezahlt, befindet er sich in Zahlungsverzug. Da der Arbeitnehmer aber bereits in Vorleistung gegangen ist, läuft er Gefahr, umsonst gearbeitet zu haben. Um seinen Vergütungsanspruch zu sichern, muss er tätig werden.

Sogenannte Verfallsklauseln in Arbeits- und Tarifverträgen sehen vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht oder sogar eingeklagt werden. Dann sind alle Ansprüche weg. Fast alle, muss man hier nun inzwischen einschränken. Denn nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte darf der Anspruch auf den Mindestlohn grundsätzlich nicht von derlei Ausschlussklauseln umfasst sein. Doch das hilft nun auch nicht wirklich. Vielmehr muss vermieden werden, weiterhin ohne die vereinbarte Gegenleistung zu arbeiten. Es besteht also akuter Handlungsbedarf, um eigene Ansprüche zu sichern.

Dies erreicht man durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts, solange die Vergütung ausbleibt.

Danach kann ein Beschäftigter der Arbeit fernbleiben, wenn der Arbeitgeber mit der Lohnzahlung in erheblichen Rückstand geraten ist. Erheblich ist der Zahlungsrückstand grundsätzlich dann, wenn er zwei Monatsgehälter umfasst. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, einfach unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben zu sein, sollte die Zurückbehaltung der Arbeitsleistung unbedingt vorher angekündigt werden. Am besten geschieht dies durch ein Schreiben an den Arbeitgeber, in dem dieser unter Fristsetzung zur Nachzahlung der offenen Vergütung aufgefordert und die Zurückbehaltung der Arbeitsleistung für den Fall der Nichtleistung angedroht wird.

Nun ist das Ausbleiben der Vergütung meist ein Indiz dafür, dass der Arbeitgeber in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt. Dann erfährt das Ganze eine besondere Stufe der Dramatik. Ausbleibende Zahlungen ziehen relativ zügig einen Insolvenzantrag nach sich. Denn einen solchen kann auch ein Gläubiger stellen, der nicht länger in Vorleistung gehen will. Im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers besteht dann ein Anspruch der betroffenen Arbeitnehmer auf Insolvenzgeld gegen die Agentur für Arbeit.

Insolvenzgeld wird allerdings nur für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses bezahlt.

Ältere Forderungen auf Vergütung können zwar immer auch beim Insolvenzverwalter zur Tabelle angemeldet werden. Doch bei ungetrübter Betrachtungsweise muss man konstatieren, dass im Ergebnis eines solchen Verfahrens oft nur wenig Ausgleich zu erwarten ist.

Alternativ kann man beim Vergütungsrückstand von zwei Monatsgehältern grundsätzlich auch fristlos kündigen. Allerdings verliert man dann seinen Vergütungsanspruch für die Zeit nach Ausspruch der Kündigung. Wenn also nicht schon ein neues Beschäftigungsverhältnis winkt, sollte man sich tunlichst mit der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts begnügen.

Für den Zeitraum der Zurückbehaltung der Arbeitsleistung besteht grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Dies ist ein Fall der sogenannten Gleichwohlgewährung gemäß § 157 Absatz 3 SGB III. Jeder Arbeitnehmer, der von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht, kann sich also auch arbeitssuchend melden und Arbeitslosengeld beantragen. Ar­beits­ge­rich­te und Ar­beits­agen­turen sehen dabei ei­nen Ge­haltsrück­stand von zwei Mo­natslöhnen als aus­rei­chend für die Leis­tungs­ver­wei­ge­rung und die an­sch­ließen­de Ar­beits­los­mel­dung an.

Aber Achtung: Leistet der Arbeitgeber zwischenzeitlich Teilzahlungen auf die rückständige Vergütung und fällt damit die Schuldsumme unter die Grenze von zwei Monatslöhnen, entfällt damit auch das Zurückbehaltungsrecht. Das Erscheinen am Arbeitsplatz ist dann wieder Pflicht.

Noch mehr Antworten auf drängende Fragen gesucht? Unsere Ratgeber bieten Lösungen bei Problemen rund um Berufsorientierung, Job, Familie und Gesundheit.

Bild von Andrew Khoroshavin auf Pixabay