Immer wieder ein Problem: Überstunden bei Teilzeit

Immer wieder ein Problem: Überstunden bei Teilzeit

Immer wieder ein Problem: Überstunden bei Teilzeit

So mancher mag sich die Augen reiben, doch Teilzeit und Überstunden schließen sich nicht automatisch aus. Mehr noch: Überstunden bei Teilzeit sind gängige Praxis in deutschen Unternehmen. Dass mit dieser Kombination arbeitsrechtliche Probleme geradezu heraufbeschworen werden, das zeigen die vielen Streitigkeiten vor Gericht. Es gilt also, sich die Problempunkte dieser Kombination im Vorfeld der Anwendung zu vergegenwärtigen. Das erspart teure Auseinandersetzungen und vieles andere mehr.

Wer dem Ganzen von vornherein aus dem Weg gehen will, der legt Wert auf klare vertragliche Vereinbarungen und auf eine grundsätzliche Vermeidung von Überstunden bei Teilzeit. Dabei fängt das Problem schon bei der Definition an. Teilzeit ist erst einmal nichts anderes, als dass von der regelmäßigen Arbeitszeit abgewichen werden soll. Das kann auch nur eine Stunde pro Tag sein. Um das Angebot von Teilzeitarbeit zu erhöhen, verpflichtet das Gesetz alle Arbeitgeber, jede ausgeschriebene Stelle, die auch teilzeitgeeignet ist, alternativ als solche anzubieten. Daneben wird ausdrücklich zur Geltendmachung von Teilzeitarbeit ermutigt, indem das Gesetz all jene vor Benachteiligung und Kündigung schützt, die diesen Anspruch geltend machen.

Die Benachteiligung gegenüber der in Vollzeit beschäftigten Belegschaft soll demnach ausgeschlossen werden. Das regelt § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Etwas anderes gilt nur bei Vorliegen sachlicher Gründe. Deshalb sind Beschäftigte in Teilzeit grundsätzlich nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders zu vergüten als ihre in Vollzeit arbeitenden Kollegen.

Als Überstunden wird die Zeit definiert, die eine aufgrund von Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag vereinbarte regelmäßigen Arbeitszeit überschreitet. Von Mehrarbeitszeit hingegen spricht man, wenn die gesetzlich normierte Höchstarbeitszeit überschritten wird.

Auch Überstunden bei Teilzeit sind möglich

Grundsätzlich ist niemand zur Erbringung von Überstunden verpflichtet. Das gilt sowohl für Beschäftigte in Vollzeit als auch für Teilzeitkräfte und Aushilfen. Das Wesen der Teilzeit besteht doch gerade in der abgesenkten Arbeitszeit. Überstunden bei Teilzeit stellen dieses Prinzip aber von den Füßen auf den Kopf. Dennoch gibt es auch von diesem Grundsatz der Nicht-Verpflichtung Ausnahmen, die im Tarifvertrag, in der Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag geregelt sind.

Befindet sich das Unternehmen in einer Notsituation und kann die Notlage nur durch Überstunden beseitigt oder der Betrieb nur dadurch aufrechterhalten werden, müssen die Beschäftigten auch einseitig angeordnete Überstunden leisten. Für im Mutterschutz befindliche Beschäftigte gelten derlei Ausnahmen generell nicht, weder bei vereinbarter Vollzeit noch bei Teilzeit.

Häufen sich allerdings die Überstunden bei Teilzeit derart, dass die vereinbarte Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum regelmäßig und deutlich überschritten wird, dann kann das auch als stillschweigende Vertragsänderung angesehen werden. In diesem Fall wird automatisch aus der Teilzeit- eine Vollzeitstelle (LAG Hamm,  Az. 8 Sa 2046/ 05). In diesen Fällen handelt es sich nicht mehr um Überstunden, sondern um eine tatsächlich geschuldete vertragliche Leistung. Maßgeblich ist insofern dann nicht mehr das ursprünglich im Arbeitsvertrag Vereinbarte, sondern der wirkliche Wille beider Seiten, der sich in regelmäßiger Leistung manifestiert. 

Dieser faktischen Vertragsänderung kann man entgehen, indem jeweils nach Bedarf ausdrücklich Überstunden als solche angeordnet werden. Das ist auch insofern von Bedeutung, als dass sich faktisch eingetretene Vertragsänderungen nicht wieder so einfach rückabwickeln lassen. Dazu bedarf es dann einer Änderungskündigung. Einer solchen müsste der betroffene Beschäftigte aber auch zustimmen.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz regelt die Vergütung bei Überstunden

Überstunden bei Teilzeit liegen nach Ansicht der Rechtsprechung auch nicht erst dann vor, wenn die Arbeitszeit die eines Vollzeitbeschäftigten überschreitet. Dies würde gegen die Gleichbehandlungsvorschrift des Teilzeit- und Befristungsgesetzes verstoßen ( BAG, Az: 6 AZR 161/16). 

Dieser Grundsatz des § 4 Abs. 1 TzBfG spielte eine entscheidende Rolle in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Dezember 2018 (BAG, Az.: 10 AZR 231/18). Danach haben auch Beschäftigte in Teilzeit Anspruch auf Zuschläge für Überstunden. Die Zuschläge sind für die Arbeitsstunden zu zahlen, die über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinausgehen.

An diesem Grundsatz ändert auch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.10.2021 nichts (BAG, Az.: 6 AZR 253/19). Lag doch dieser Entscheidung ein sehr spezielles Problem zugrunde, welches sich im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-K) fand und in der Einschätzung des Gerichts als diskriminierungsfrei zu werten war.

Die klare Eingrenzung der geschuldeten Arbeitszeit ist demnach ein wichtiges Kriterium. Einerseits stellen Teilzeitkräfte damit die Planbarkeit ihrer Einkünfte sicher. Auf der anderen Seite werden dadurch erst Überstunden sichtbar.

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