Mindestlohn ist nicht gleich Mindestlohn.
Der Mindestlohn wird gern als Wahlkampfthema genutzt. Aussichten auf deutliche Erhöhungen sollen das Wahlvolk bei der Stimmabgabe leiten. Die inzwischen durchbrochene „Schallmauer“ von 12 Euro pro Arbeitsstunde waren lange Zeit das Traumziel in Deutschland. Nun scheint die Luft etwas auszugehen, was nicht zuletzt auch am Widerstand vieler Arbeitgeberverbände liegt.
Dabei kann ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn immer auch nur ein vorsichtiger Eingriff in die Mechanismen eines freien Marktes sein. Eigentlich regelt die Wirtschaft ihre Arbeitsbedingungen weitestgehend über Tarifverträge und ähnliche Vereinbarungen. Wo derlei Festlegungen für Mindeststandards einer modernen Arbeitswelt verdrängt oder verhindert werden, braucht es ein Korrektiv.
Das ist nicht überall in Europa notwendig. Derzeit wird lediglich in 29 der 47 Staaten Europas ein gesetzlicher Mindestlohn vorgeschrieben. Die Unternehmen in den skandinavischen Länder und in Österreich haben traditionell eine hohe Tarifbindung. Die dortigen Tariflöhne liegen deutlich oberhalb des Mindestlohnniveaus. Deshalb verzichtet man in diesen Ländern bisher auf die verpflichtende Einführung eines Mindestlohns.
Doch ohnehin wird oft schon begrifflich viel Verwirrung gestiftet, wenn vom Mindestlohn die Rede ist. Zwar ist mit einem Mindestlohn immer ein verbindliches Mindestentgelt gemeint, doch davon gibt es in der Arbeitswelt inzwischen verschiedene Arten. Die Unkenntnis darüber bringt so einiges durcheinander. Nicht wenige Beschäftigte verzichten in der Folge gar auf viel Geld. Denn die Verwirrung wird vor allem von weitgehender Ahnungslosigkeit gestiftet.
Mindestlohn ist also nicht gleich Mindestlohn.
Der thematische Bezug ist von entscheidender Bedeutung. Damit kann der Verwirrung bei dieser Thematik durchaus abgeholfen werden. Erst recht in den Fällen, wo mehrere Mindestlöhne aufeinander treffen. Dann gilt immer die höchstmögliche Vergütung unter ihnen.
Den meisten bekannt, in der Hierarchie der Mindestlöhne aber an unterster Stufe, ist der gesetzliche Mindestlohn. Dieser wurde per Bundesgesetz zum 01.01.2015 eingeführt und erfährt seither regelmäßig eine Anpassung in der Höhe. Derzeit beträgt sein Wert 12,41 Euro pro Arbeitsstunde. Unterhalb dieser Verdienstgrenze darf in Deutschland kein Arbeitnehmer beschäftigt werden. Das hat sich immer noch nicht überall herumgesprochen. Doch Unkenntnis schützt bekanntlich vor Strafe nicht. Der Zoll ist bei seinen Kontrollen hier unerbittlich, auch rückwirkend.
Diese bestimmen für alle tarifgebundenen Unternehmen einer bestimmten Brache das Mindestentgelt pro Stunde. Bekannt sind hierbei vor allem die Tarifverträge im Baugewerbe, in der Forstwirtschaft, im Elektrogewerbe und in der Pflege. Nicht ganz so bekannt ist, dass es selbst in der so oft gescholtenen Zeitarbeit einen tariflichen Mindestlohn gibt. Auch dieser liegt, wie alle anderen tariflichen Verdienstuntergrenzen, deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn. Letzte Ausnahmen, die eine Unterschreitung zuließen, sind seit Januar 2018 aufgehoben.
Schon deutlich länger gibt es tarifliche Mindestlöhne.
Nun arbeiten nicht alle Unternehmen unter Einbeziehung eines Branchentarifvertrages. Ihre Zahl nimmt sogar rapide ab, da die Ansprüche vielfach auch die Möglichkeiten der Unternehmen überschreiten. Tarifflucht ist ein immer größer werdendes Phänomen. Doch nicht immer gelingt es damit, den verbindlichen Regelungen eines Tarifvertrages und dessen Verdienstregelungen zu entrinnen. Das sogenannte Entsendegesetz macht es möglich. Danach müssen Arbeitnehmer, die in einer Branche tätig werden, deren Tarifvertrag als allgemeinverbindlich erklärt ist, nach den gleichen Regeln vergütet werden. Das gilt sowohl für die Entsendung aus dem Ausland als auch im Inland.
Allerdings sind die Allgemeinverbindlicherklärungen relativ selten. Da sie grundsätzlich per bundesgesetzlicher Regelung erfolgen müssen und der Staat die Koalitionsfreiheit in der Wirtschaft beachten muss, wird hier in der Regel deutlich Zurückhaltung geübt. Nur in der Bauwirtschaft und den damit verbundenen Gewerken ist derlei noch üblich. Damit soll vor allem ausländischer Billiglohnkonkurrenz entgegengewirkt werden.
Schlussendlich gibt es am Markt auch noch die sogenannten Vergabemindestlöhne.
Diese richten sich nach den Vergabegesetzen der einzelnen Bundesländer und liegen auch deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn. Damit soll sichergestellt werden, dass öffentliche Aufträge nur mit ansprechenden Lohnuntergrenzen abgearbeitet werden. Allerdings stoßen diese Vergabemindestlöhne auf deutliche Kritik. Lassen sie doch von vornherein diverse kleinere Anbieter am Markt außen vor, die sich die oft ambitionierten Verdienst-Vorgaben der Politik schlicht nicht leisten können.
Mindestlohn ist also nicht gleich Mindestlohn. Die verbindlich unterste Schwelle des Verdienstes ist heute der gesetzliche Mindestlohn. Alle anderen Mindestlöhne liegen oft deutlich darüber. Das sollte man künftig bei den Vertragsverhandlungen im Auge behalten.