Fachkräftemangel – Mythos, Problem, Chance

Fachkräftemangel – Mythos, Problem, Chance

Vor inzwischen mehr als vier Jahren trat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Im Mittelpunkt der Rekrutierungsoffensive stehen seither Fachkräfte mit einer qualifizierten Berufsausbildung. Der sogenannte Fachkräftemangel in Deutschland war Anlass für dieses Gesetz. Doch das Problem der fehlenden Ressourcen lässt sich allein auf diesem Wege natürlich nicht lösen. Ohnehin war wohl mit dieser Offensive ein deutlich größerer Zuspruch verfolgt worden. Deshalb will man es nun zukünftig mit deutlich abgesenkten Einreise- und Aufenthaltsbedingungen versuchen. Die Änderungen im Gesetz wurden dabei in mehreren Stufen wirksam.  

Die Heilsbringer dafür, dass wir seit Jahren unsere demografische Entwicklung in vielen Bereichen ignorieren und Investitionen in nachhaltige Bildungsmodelle zukünftiger Generationen sträflich vernachlässigt haben, suchen wir nun andernorts. Gerade das reiche Deutschland hat es verschlafen, für die Zukunft rechtzeitig und auskömmlich die Weichen zu stellen.

Dabei halten einige Arbeitsmarktexperten den Begriff „Fachkräftemangel“ generell für einen Mythos. Das Ganze sei eine Erfindung unfähiger Personalchefs und müsse einer sehr detaillierten und auch sachlichen Betrachtung unterzogen werden.

Ohnehin wird bei dieser Thematik seit langem nicht immer fair argumentiert. Bei so manchem Beitrag zweifelt man an der Sachkenntnis der Vortragenden. Spätestens dann, wenn die Vorschläge zur Behebung der vermeintlichen Probleme zur Sprache kommen.

Wie ist das nun mit dem Fachkräftemangel

Als Fachkräftemangel wird in der Arbeitsmarktforschung eine Situation am Markt bezeichnet, in der es nicht genügend Fachkräfte gibt. Mit anderen Worten: Entsprechende Stellenangebote bleiben weitgehend ohne Resonanz bzw. die eingehenden Bewerbungen entsprechen nicht den Anforderungen. Ein derartige Situation bleibt in der Regel unternehmerisch nicht unbeantwortet. Die Problemlösung wird einfach auf anderem Wege herbeigeführt. Vor allem bieten sich an: Rationalisierung, Auf- und Ausbau von Überstundenkonten oder Verlängerung der Lebensarbeitszeit älterer Mitarbeiter. Einen dauerhaften Fachkräftemangel wird es also nicht wirklich geben. Zumindest nicht in der auf Effizienz ausgerichteten freien Wirtschaft und bei marktüblichen Konditionen.

Begriff vom Fachkräfteengpass trifft es besser

Danach kommt es zwar auch zur Diskrepanz zwischen dem Fachkräfteangebot und ihrer Nachfrage. Doch ließe sich die Situation durch entsprechendes Entgegenkommen beider Seiten entschärfen. Ein probates Mittel hierbei sind betrieblich geförderte Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung. Das Ausmaß eines Engpasses wird dann sichtbar, wenn eine Seite, also Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, diesen qualitativen Annäherungen nicht mehr nachkommt.

Erhöhen sich also mit der Zeit die Anforderungen eines Unternehmens an das Können der Beschäftigten, bleiben aber gleichzeitig die Investitionen in die Nachwuchsförderung aus, so werden immer weniger diesen Anforderungen auch genügen. Ebenso verhält es sich beim Rückgang der Bereitschaft, bestimmte Berufe zu erlernen. Die Zahl der Berufe, in denen es zunehmend an Fachkräften mangelt, ist zwar regionalen Schwankungen unterworfen, doch nähern sich die Situationen in Deutschland allmählich an.

Waren lange Zeit vor allem männertypische Berufe betroffen, so gibt es inzwischen auch in frauentypischen Berufen deutliche Engpässe. Fast alle frauentypischen Berufe, in denen es besonders viele unbesetzte Stellen gibt, gehören zu den Berufsfeldern in der Gesundheit, im Sozialen und in der Bildung.

Zudem arbeitet fast jeder zweite Beschäftigte in Engpassberufen dieser Berufsfelder in Teilzeit. Eine Reduzierung der Arbeitszeitbeschränkungen hätte also deutlich positive Auswirkungen auf den Fachkräftemarkt.

Anders verhält es sich mit den Engpassberufen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Die dort überwiegend männlichen Beschäftigten arbeiten fast ausschließlich in Vollzeit. Unternehmen könnten dort verstärkt weibliche Fach- und Nachwuchskräfte anwerben, um offene Stellen zu besetzen.

Entwicklung bietet auch Chancen bei der Berufswahl.

Die sich hartnäckig haltende Tradition zu typischen Jungen-Berufen und typischen Mädchen-Berufen bedarf allerdings modern ausgerichteter Orientierungskampagnen. Wer sich bereits heute nicht an diese veralteten Strukturen klammert, der kann mit der Wahl des Ausbildungsberufes einen echten Volltreffer erzielen. Seine Arbeitsplatzchancen für die Zukunft wären weitestgehend gesichert. Dazu bedarf es aber einer echten, umfassenden und auch schon frühzeitigen Orientierung am Markt der Möglichkeiten.

So verschieden demnach die Begriffe sind, so unterschiedlich ist auch die Strategie zur Lösung der Probleme. Dies zu erkennen, wäre dann auch ein wirklicher Schritt in die richtige Richtung. Bloße Sonntagsreden, ohne Sachkenntnis, ohne Substanz und ohne den echten Willen zur nachhaltigen Veränderung, werden die Thematik gesamtgesellschaftlich nur verschärfen. Die Situation in den Krankenhäusern und in der Altenpflege ist dafür ein beredtes Beispiel. Insofern zeigte die Situation in der Pandemie das ganze Dilemma wie unter einem Brennglas. Allein nachhaltige Konsequenzen mit der gebotenen Beschleunigung lassen weiter auf sich warten.

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