Immer wieder Streit um den Arbeitsunfall
Ein Arbeitsunfall ist in Deutschland noch immer an der Tagesordnung.
Zwar setzen viele Betriebe auf Prävention, doch die Gefahr, einen Arbeitsunfall zu erleiden, bleibt hoch. Zuletzt ereigneten sich in Deutschland immerhin 783.426 solcher Unfälle, davon endeten 381 tödlich. Viele Verletzte bleiben ihr Leben lang gezeichnet. Vorbeugung und Belehrung sind also immens wichtig, um auf die Gefahren hinzuweisen. Dafür gibt es in jedem Betrieb Arbeitsschutzverantwortliche, die sich um die Einhaltung der gesetzlichen und betrieblichen Vorschriften kümmern.
Trotzdem passieren immer noch, rein statistisch betrachtet, 2146 solcher Ereignisse tagtäglich. Dabei zählt aber nicht jedes Missgeschick in diese Kategorie der Schadensereignisse. Von einem Arbeitsunfall spricht man nur, wenn ein gesetzlich versicherter Arbeitnehmer einen Gesundheitsschaden bei seiner versicherten Tätigkeit erleidet. Ein Arbeitsunfall liegt demnach immer nur dann vor, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen der aus dem Arbeitsvertrag geschuldeten Tätigkeit und der im Unfallzeitpunkt ausgeübten Verrichtung vorhanden ist. Der Gesetzgeber hat dies alles im SGB VII (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) geregelt. Dazu gehört auch der Weg zur und von der Arbeit.
Arbeitsunfall in der Pause und mit Alkohol
Kein Arbeitsunfall hingegen ist ein Unfall, der sich während der Arbeitspausen ereignet. Der Versicherungsschutz erstreckt sich natürlich auch auf den Weg zur Kantine oder zum Pausenraum. Das umfasst die regulären Pausen. Während der Inanspruchnahme von Raucherpausen hingegen besteht kein Versicherungsschutz, auch nicht auf dem Weg dorthin.
Bei Alkoholeinfluss ist man immer schnell dazu geneigt, den Versicherungsschutz zu versagen, also einen Arbeitsunfall zu verneinen. Doch auch hier kommt es auf Details an: Es ist zu unterscheiden, ob der Verletzte unter Vollrausch stand oder bereits erhebliche Reaktions- und Handlungseinschränkungen aufwies. Dann ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen.
War der Verletzte zwar alkoholisiert, zeigte aber kein alkoholbedingtes Fehlverhalten, ist ein Arbeitsunfall vom Versicherungsschutz gedeckt. Sogar bei Unfällen beruflich veranlasster Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss besteht Versicherungsschutz, soweit der Fahrer zwar nicht mehr verkehrssicher, aber noch relativ kontrolliert das Fahrzeug führen konnte und der Alkoholeinfluss nicht die einzige Unfallursache war.
Ein Arbeitsunfall ist grundsätzlich meldepflichtig, wenn hiernach eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen folgt oder der Tod des Verletzten eingetreten ist. In den meisten Fällen übernimmt dies bereits der Durchgangsarzt, ein speziell für Unfälle ausgebildeter Mediziner. Unfallmeldungen haben für Unternehmen den Nachteil, dass sich damit ihr jährlicher Pflichtbeitrag zur Unfallversicherung erheblich erhöht. Ein weiterer Grund, die Prävention nicht zu vernachlässigen.
Durch das Eingreifen der hierfür speziell geschaffenen Unfallversicherung, ist die Haftung des Arbeitgebers oder der Kollegen gegenüber dem Verletzten ausgeschlossen, soweit der Arbeitsunfall nicht vorsätzlich oder durch die Teilnahme am Straßenverkehr herbeigeführt wurde.
Gesetzlicher Schadensausgleich
Die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen regulieren hiernach die Schäden des Unfalls. Ziel ist dabei, den Zustand vor dem Unfall wieder herzustellen. Deshalb werden von den Unfallversicherungen nicht nur die Gesundheitsschäden bezahlt, sondern auch Verletztengelder, Renten und Entschädigungen für Hinterbliebene. Auf diese Leistungen besteht ein gesetzlicher Anspruch, ohne dass man hier gesonderte Anträge stellen muss.
Aus diese Gründen ist jeder Arbeitnehmer pflichtversichert. Kein Arbeitgeber kann sich dem entziehen. Das Prinzip ähnelt dem der Haftpflichtversicherung. Damit wird sichergestellt, dass eintretende Schäden nicht zu Lasten der abhängig Beschäftigten gehen. Doch damit ist nur der Grundsatz des Versicherungsschutzes festgeschrieben. Nicht jeder Schaden wird auch ersetzt. Besonderheiten und Einschränkungen gibt es beispielsweise beim Wegeunfall. Die Unfallversicherung ist bei der Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall generell sehr kleinlich und die angerufenen Gerichte sind es in der Regel auch.
Arbeitsunfall bei der Probearbeit
Beispielhaft dafür ist der Streit um einen Unfall gewesen, der im Rahmen eines Probearbeitsverhältnisses geschah.
Ein Arbeitssuchender hatte einen sogenannten Probetag bei einem Entsorgungsunternehmen absolviert. Beim Transport von Mülltonnen stürzte er vom Fahrzeug und verletzte sich schwer. Die zuständige Berufsgenossenschaft verweigerte ihm daraufhin die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall. Als Begründung wurde angeführt, dass der Betroffene noch nicht in ein Beschäftigungsverhältnis eingegliedert war. Auch seine Klage vor dem zuständigen Sozialgericht blieb mit eben dieser Begründung ohne Erfolg.
Die Richter am Bundessozialgericht allerdings sahen die Sache anders (BSG, AZ. B 2 U 1/18 R). Nach ihrer Auffassung muss die Berufsgenossenschaft den Arbeitsunfall als solchen anerkennen und den dabei entstandenen Schaden regulieren. Demnach sei der Betroffene hier als „Wie-Beschäftigter“ gesetzlich unfallversichert gewesen. Er habe eine dem Entsorgungsunternehmen dienende und dessen Willen entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht, die einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ähnlich sei. Die Tätigkeit lag nach Auffassung der obersten Sozialrichter nicht nur im Eigeninteresse des Mannes, um eine neue dauerhafte Beschäftigung zu erlangen. Der Probearbeitstag gab eben auch dem Unternehmen die Möglichkeit, über die Auswahl eines geeigneten Bewerbers zu befinden. Das habe einen objektiv wirtschaftlichen Wert für das Unternehmen gehabt.