
1. Mai – Feiertag mit Verständnisproblemen
Der 1.Mai ist ein traditioneller Feiertag. Einer der wenigen, für den die Kirche nicht verantwortlich zeichnet. Den meisten Zeitgenossen ist das egal. Alljährlich suchen sie an diesem Tag Entspannung und Erholung. An die klassischen Demos denken seit Jahren nur noch wenige. In diesem Jahr fällt das traditionsreiche Datum auf einen Donnerstag. Da muss dann eine wirklich ernsthafte Entscheidung getroffen werden – zumindest in Familien. Immerhin besteht die Möglichkeit eines Kurzurlaubs.
Damit gerät dann auch eine Überlegung vorerst in den Hintergrund, die zuletzt vor allem aus dem linken Lager der Politik thematisiert worden ist. Dort war man der Meinung, dass gesetzliche Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, am darauffolgenden Montag nachgeholt werden müssten. Begründet wurde diese Überlegung mit dem sonst ausbleibenden zusätzlichen Erholungseffekt, da der Sonntag ohnehin für viele arbeitsfrei sei. Ganz durchdacht war die Argumentation natürlich nicht. Schon immer gibt es viele Berufsgruppen, die selbstverständlich auch an einem Feiertag Dienst tun müssen.
Geschichte des 1. Mai
Ohnehin scheint man sich auch nicht mehr des Ursprungs zu erinnern, der den 1.Mai letztlich zum Feiertag werden ließ. Dabei spielte Berlin-Kreuzberg noch keine Rolle. Auch wenn es seit Jahren den Anschein erweckt, als hätte man dort den 1.Mai für sich und die eigenen Rituale erfunden und reserviert. Auch die deutschen Gewerkschaften kamen bei diesem Datum geschichtlich erst deutlich später ins Spiel.
Begonnen hat die Geschichte des Maifeiertages in den Vereinigten Staaten im Jahre 1886.
Damals war der 1.Mai dort traditionell der Stichtag für den Abschluss neuer Arbeitsverträge. Die Konditionen und der Arbeitsort wurden neu festgelegt. In jenem Jahr traten viele Beschäftigte des ganzen Landes in den Streik, um erstmals den 8-Stunden-Tag in die neuen Verträge mit aufnehmen zu lassen. Die amerikanischen Gewerkschaften waren bereits sehr stark und hatten friedliche Massenproteste organisiert, die auch über den 1.Mai hinaus andauern sollten. Am 3. Mai kam es in Chicago zum ersten Mal zu Krawallen und zu einer Bombenexplosion auf dem Haymarket, was ein Massaker durch wild um sich schießende Polizisten auslöste.
Weltweit wurden diese Ereignisse benutzt, um gewaltsam gegen Gewerkschaften vorzugehen. Die Organisatoren von Chicago endeten am Strang. Geboren war aber damit ein Anlass, dem sich bis heute Gewerkschaften in aller Welt verbunden fühlen. Dabei verlief die Entwicklung in Deutschland sehr holprig. Drei Jahre nach dem Vorfall in Chicago wurde der 1.Mai zwar als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ von den Sozialisten weltweit proklamiert, doch seine Bestimmung zum gesetzlichen Feiertag in Deutschland dauerte noch bis 1919. Die zerstrittenen Kräfte der Weimarer Republik konnten sich aber nur auf einen einmalig stattfindenden Feiertag verständigen.
Feiertag für Propaganda missbraucht
Erst den Nazis war es vorbehalten, diesen Feiertag in Deutschland gesetzlich einzuführen. Natürlich haben sie diesen für Propagandazwecke missbraucht und die Gewerkschaften kalt gestellt. Ähnlich verfuhr man nach 1945 in der ehemaligen DDR, wo sich vor allem die Staatsführung mit ausufernden Paraden feiern ließ. In der Bundesrepublik wird der Tag traditionell von den Gewerkschaften vereinnahmt, die mit jährlich wechselndem Motto ihre Ziele proklamieren. Die Bedeutung gewerkschaftlicher Veranstaltungen ist allerdings stark rückläufig. Der freie Tag wird immer mehr zum Familientag. Als Kontrastprogramm kamen in den 1980er Jahren die Krawalle in Kreuzberg hinzu, die allerdings mit der Initiierung friedlicher Familienfeste auch ihr Pendant gefunden haben.
Als gesetzlicher Feiertag ist der 1.Mai in den Landesgesetzen der einzelnen Bundesländer geregelt. Bezeichnet wird er dort überwiegend als „Tag der Arbeit“. Kaum noch etwas erinnert an die wechselvolle Geschichte des Tages. Trotzdem lassen wir uns den Feiertag alle Jahre wieder gefallen.
Die damals wichtigen Ziele wurden inzwischen erreicht: Der umstrittene 8-Stunden-Tag ist heute Standard in den Arbeitsverträgen. Auch viele weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen wurden seitdem durchgesetzt. Natürlich ist das auch der Bewegung um den 1.Mai zu verdanken, die vor 139 Jahren so blutig ihren Anfang nahm.
Man sollte auch an diesem Feiertag daran denken und nicht den Wunsch nach Freizeit und Erholung in den Vordergrund rücken. Mit derlei bequemen Ansätzen lassen sich echte „Kampfziele“ mitnichten erreichen.