Schweigen ist keine Zustimmung
Dem Schweigen wird von jeher eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Kommt es doch für die Einordnung dieser Form der Kommunikation darauf an, in welchem Zusammenhang derlei geschieht. Dabei kann Schweigen sowohl Zustimmung als auch Ablehnung oder gar völlige Dialogverweigerung bedeuten. Schwierig wird es immer dann, wenn Schweigen abweichend von der Motivation des Handelnden verstanden wird oder abweichend interpretiert werden soll. Dann kommt es zwangsläufig zu Missverständnissen.
Deshalb hat es das Schweigen im deutschen Recht auch so schwer. Ihm wird in aller Regel keinerlei Erklärungswert beigemessen, es fehlt schlicht an einer Willenserklärung. Einer solchen aber bedarf es regelmäßig, um Rechtsfolgen auslösen zu können. Nur in wenigen Ausnahmefällen gelingt das auch in zulässiger Weise mittels Schweigen im Rechtsverkehr.
Hierzu gehören unter anderem die Fälle, in denen sogenanntes beredtes Schweigen als Willenserklärung in der Rechtspraxis anerkannt ist. So können beispielsweise Vertragspartner im Rahmen der Privatautonomie vereinbaren, dass Schweigen ausdrücklich oder konkludent Zustimmung bzw. Ablehnung eines bestimmten Angebots bedeutet. Dieser Praxis haben sich in der Vergangenheit unter anderem auch Kreditinstitute bedient, wenn sie ihre AGB einer Änderung unterzogen haben. Kunden, die dem nicht fristgerecht widersprachen, wurde eine entsprechende Zustimmung zu den Änderungen unterstellt.
Doch dieser langjährigen Rechtspraxis hat der Bundesgerichtshof inzwischen widersprochen (BGH, AZ: XI ZR 26/20). Das Gericht sieht in derartigen Klauseln eine unangemessene Benachteiligung der Kunden und eine unzulässige Abweichung von wesentlichen Grundlagen des Vertragsschlusses. Das bedeutet, dass zukünftig weder Banken noch andere Vertragspartner mit einer weit gefassten Klausel zur Erklärungsfiktion einseitig die Vertragsbedingungen ändern können. Schweigen ist also fortan auch hier wieder keine Zustimmung.
So mancher Arbeitgeber war angesichts der jahrelangen Rechtspraxis zum Schweigen geneigt, sich auch auf solche Vereinfachung zu berufen. Immerhin macht es viele Dinge leichter, wenn einseitige Vorgaben unwidersprochen akzeptiert werden. Doch auch hierbei ist äußerste Vorsicht angesagt. Der Grundsatz, dass Schweigen keine Willensäußerung ist, der gilt auch und gerade im Arbeitsverhältnis. Liegt einem solchen doch generell ein Vertrag zugrunde, der auf übereinstimmenden Willenserklärungen beruht. Einen solchen Fall zum Schweigen im Arbeitsrecht musste unlängst das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern zu entscheiden (LAG, AZ: 5 Sa 221/18).
Ein Kfz-Mechaniker hatte mit seinem Arbeitgeber einen Stundenlohn von 13,71 EUR brutto vereinbart. Als das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, schlossen die Vertragsparteien im anschließenden Kündigungsschutzprozess einen Vergleich. Das Arbeitsverhältnis sollte zu einem späteren Zeitpunkt enden und der Arbeitgeber verpflichtete sich, den Mechaniker unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Arbeit freizustellen. Das Arbeitsverhältnis sollte hiernach bis zum Beendigungstermin ordnungsgemäß abgerechnet werden. Doch der Arbeitgeber kürzte den Stundenlohn in dieser Freistellungsphase auf 12,89 EUR brutto. Zur Begründung gab er an, dass der Kfz-Mechaniker nicht mehr als Servicetechniker tätig gewesen sei und ihm im Beisein des Serviceleiters mitgeteilt worden sei, dass der Stundenlohn fortan gekürzt werde. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer nunmehr wieder vor Gericht.
Eine Änderung der ursprünglichen Lohnvereinbarung war laut Gericht nicht zustande gekommen, da Schweigen im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung darstellt. Bei einem Arbeitsverhältnis ist im Fall nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind. Aus Schweigen kann nicht auf eine Zustimmung geschlossen werden. Will der Arbeitgeber den Lohn kürzen, braucht er hierfür ein ausdrückliches Einverständnis des Arbeitnehmers. Etwas Anderes gilt lediglich dann, wenn der Lohn per Tarifvertrag bestimmt wird. Einigen sich die Tarifpartner auf eine Lohnkürzung, gilt diese auch ohne Zustimmung des jeweiligen Arbeitnehmers.
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