Kaffee-Unfälle im Job sind diffizil

Kaffee-Unfälle im Job sind diffizil

Der Kaffee im Job ist beliebt, immer noch. Zwar gibt es immer mal wieder Trends, die derlei Genuss als längst überholt ansehen und mit immer hipperen Getränken punkten wollen. Doch so richtig verdrängt hat man den morgendlich Kaffee immer noch nicht. So muss es auch nicht verwundern, dass die belebende Wirkung weiterhin im Job geschätzt ist. Eine Verkettung ungünstiger Umstände allerdings kann den Kaffee-Genuss dort auch zum Dilemma werden lassen. Vor allem dann, wenn dabei ein Unfall passiert. Dass derlei nicht gänzlich ausgeschlossen ist und auch Stoff für erheblichen Streit bieten kann, das sollen die Beispiele in der Folge verdeutlichen.

Zur Handhabung in der Praxis haben die hier zuständigen Sozialgerichte dezidierte Regeln aufgestellt. Ein Arbeitsunfall liegt demnach immer nur dann vor, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen der aus dem Arbeitsvertrag geschuldeten Tätigkeit und der im Unfallzeitpunkt ausgeübten Verrichtung vorhanden ist. Der Gesetzgeber hat dies alles im SGB VII (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) geregelt.

Kaffee-Genuss zur Stärkung der Gemeinschaft

Essen und Trinken zählen nicht unmittelbar zur betrieblichen Tätigkeit, werden aber gleichwohl oft auch im Betrieb eingenommen. Und schon wird es kompliziert. Überwiegend dann, wenn sich Tätigkeit und Nahrungsaufnahme nicht gänzlich voneinander trennen lassen. So auch beim kürzlich vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt entschiedenen Fall. Dort hatte sich ein Bauarbeiter während der morgendlichen Besprechung im Baucontainer an seinem Kaffee derart verschluckt, dass er einen Hustenanfall bekam. Er verließ benommen den Baucontainer, stürzte dabei auf ein Metallgitter und brach sich das Nasenbein. 

Die zuständige Berufsgenossenschaft sah darin keinen von der gesetzlichen Versicherung gedeckten Arbeitsunfall, da der Kaffee-Genuss als private Angelegenheit zu betrachten sei. Der Geschädigte klagte ohne Erfolg vor dem Sozialgericht und ließ den Sachverhalt hiernach vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt überprüfen (LSG LSA, Az: L 6 U 45/23). Dieses gab dem Kläger Recht und erkannte das Geschehen als Arbeitsunfall an. Nach Überzeugung des Gerichts war der in Rede stehende Kaffee-Genuss sehr wohl betrieblich veranlasst. Die verpflichtende Teilnahme an der Besprechung war von je her etablierte Praxis im Betrieb, um eine positive Arbeitsatmosphäre zu etablieren und die kollegiale Gemeinschaft zu stärken. Außerdem würden durch das Koffein Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesteigert, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung.

Sachlicher Zusammenhang ist maßgebend

Beweisschwierigkeiten hingegen könnten auftreten, wenn ein derartiges Unfallgeschehen im Homeoffice zu bewerten wäre. Doch auch hier haben Gerichte inzwischen Grundsätze entwickelt, um pauschalen Urteilen entgegenzuwirken. Ein beispielhaftes Urteil des Bundessozialgerichts erinnert in einem solchen Fall ausdrücklich daran, dass der sachliche Zusammenhang zwischen der zum Arbeitsunfall führenden Verrichtung und der Handlungsmotivation des Verunfallten im Fokus der Beurteilung stehen müssen (BSG, AZ: B 2 U 4/21 R).

Im dort entschiedenen Fall war ein Beschäftigter auf dem morgendlichen Weg vom Bett ins Homeoffice gestürzt. Er befand sich auf dem Weg zur Arbeitsaufnahme von seinem Schlafzimmer in das eine Etage tiefer gelegene häusliche Büro. Dort beginnt er üblicherweise unmittelbar zu arbeiten, ohne vorher zu frühstücken. Beim Beschreiten der die Räume verbindenden Wendeltreppe rutschte er aus und brach sich einen Brustwirbel. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte Leistungen aus Anlass des Unfalls ab. Während das Sozialgericht den erstmaligen morgendlichen Weg vom Bett ins Homeoffice als versicherten Betriebsweg ansah, beurteilte das Landessozialgericht ihn als unversicherte Vorbereitungshandlung, die der eigentlichen Tätigkeit nur vorausgeht.

Das Bundessozialgericht hat die Entscheidung des ersten Gerichts bestätigt und sich damit auf die Seite des klagenden Verunfallten gestellt. Ausnahmsweise ist ein Betriebsweg auch im häuslichen Bereich denkbar, wenn sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude befinden (BSG, AZ: B 2 U 5/15 R). Ob ein Weg als Betriebsweg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, bestimmt sich auch im Homeoffice nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten, also danach, ob dieser bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, AZ: B 2 U 9/16 R).

Privater Kaffee und dienstliche Weisung

Dass der Streit mit der zuständigen Berufsgenossenschaft noch kleinlicher ausgefochten werden kann, das erfuhr ein Industriemechaniker vor einiger Zeit leidlich in anderer Konstellation.

Im konkreten Fall kam dieser eines Morgens besonders früh zur Arbeit in einer Maschinenfabrik. Dort trank er an einem Stehtisch seinen morgendlichen Kaffee. Als der Vorgesetzte erschien und ihn anwies, den Tisch abzuräumen und Unterlagen aus einem Container zu holen, folgte der Arbeitnehmer dieser Weisung. Er nahm hierzu seine Kaffeetasse auf, stürzte aber bereits nach wenigen Schritten. Dabei zersprang die leere Kaffeetasse und der Mann zog sich erhebliche Schnittverletzungen an der Hand zu. Etliche Nerven, die Beugesehne und mehrere Blutgefäße waren in Mitleidenschaft gezogen worden. Man könnte also meinen, ein klassischer Arbeitsunfall steht hier zur Disposition.

Tatsächlich wollte der Industriemechaniker von der zuständigen Berufsgenossenschaft dieses Missgeschick als Arbeitsunfall anerkannt haben. Diese lehnte jedoch mit dem Hinweis ab, dass Essen und Trinken und das damit in Zusammenhang stehende Verletzungsrisiko zum persönlichen und damit nicht versicherten Lebensbereich gehören. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass üblicherweise bei betrieblichen Besprechungen Kaffee getrunken wird.

Da sich der Sturz hier im Rahmen einer Dienstbesprechung ereignet hat und der Arbeitnehmer aufgefordert war, Unterlagen zu beschaffen, hat er sich zwar bei einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit befunden. Das gleichzeitige Mitführen seiner eigenen Kaffeetasse sei aber  als eigenwirtschaftliches Handeln zu werten. Deshalb versagte die Berufsgenossenschaft die Anerkennung als Arbeitsunfall.

Das sahen die Richter am Sozialgericht Dortmund komplett anders und verurteilten die Berufsgenossenschaft, die Versicherungsleistungen zu übernehmen. 

Der sachliche Zusammenhang zwischen Unfall und Verrichtung der Arbeit sei hier stets gegeben gewesen. Das Wegbringen der Kaffeetasse war aus betrieblichem Interesse erfolgt. Es spielt keine besondere Rolle, ob dabei betriebliche Arbeitsmittel oder private Gegenstände weggeräumt werden. Soweit der Unfall ohne eigenwirtschaftliches Interesse eingetreten ist, bleibt es unerheblich, ob am Unfallhergang ein Gegenstand beteiligt ist, der eigenwirtschaftlichen Zwecken dient. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte das Urteil in einer Berufungsverhandlung (LSG Nordrhein-Westfalen Az: L 10 U 453/17).

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