
Selbst schuld: Keine Fortzahlung trotz Krankheit
Das Leben steckt voller Risiken, das Corona-Virus ist dafür ein beredtes Beispiel. Es geht aber auch ein paar Nummern kleiner, wenn man beispielsweise die sportlichen Freizeitaktivitäten Einzelner betrachtet. Da bringt so manche Unternehmung die Gesundheit in erhebliche Gefahr. Doch was passiert eigentlich, wenn man dabei wirklich einen körperlichen Schaden erleidet und krankheitsbedingt dem Job fernbleiben muss? Rettet einen dann die Fortzahlung vor dem finanziellen Schaden?
Werden Arbeitnehmer krank, dann erhalten sie vom Arbeitgeber eine Fortzahlung ihres Verdienstes. Dieser Anspruch ist gesetzlich verbrieft und durchbricht das dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende Austauschprinzip.
In der heutigen Form gibt es diese Absicherung auch erst seit rund 20 Jahren. In früherer Zeit war es durchaus mit Risiken verbunden, dem Arbeitsplatz krankheitsbedingt fernzubleiben. Die finanzielle Absicherung bei Krankheit regelt nunmehr das Entgeltfortzahlungs-Gesetz (EFZG). Dort ist unmissverständlich geregelt, dass der Arbeitgeber bis zu sechs Wochen lang das volle Gehalt weiterzahlen muss.
Fortzahlung nur bei fehlendem Verschulden
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG entsteht dieser Anspruch auf Fortzahlung, soweit die zugrunde liegende Krankheit ohne eigenes Verschulden eingetreten ist. Gerade diese Einschränkung ist es aber, die einem bei all zu großer Risikofreudigkeit zum Verhängnis werden kann.
Einen solchen Fall hatte vor einiger Zeit das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zu entscheiden (AZ: 1 TA 29/19). Dort wollte der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer die Fortzahlung im Krankheitsfall verweigern. Nach seiner Meinung hätte dieser einen Unfall selbst verschuldet und damit auch seine Arbeitsunfähigkeit schuldhaft herbeigeführt.
Passiert war das Ereignis, als der Beschäftigte einen abschüssigen Fußweg auf einer langgezogenen Kurve mit dem Fahrrad abwärts gefahren ist. Nach besagter Kurve fuhr er dann auf einem gepflasterten Weg weiter und stürzte auf der sich daran anschließenden Treppe. Deutlich vor der Unfallstelle befindet sich an dieser Treppe ein Verkehrszeichen, das den Weg ausdrücklich als Fußweg kennzeichnet. Zusätzlich ist dieses blaue Schild mit einem Zusatz: „Durchfahrt für Radfahrer nicht möglich“ versehen.
Nach Auffassung des Gerichts hat der Betroffene objektiv die Sorgfaltsanforderungen an einen Verkehrsteilnehmer in besonders groben Maße verletzt. Er war trotz des Warnhinweises weitergefahren und in der Folge die Treppe hinabgestürzt. Ihn trifft deshalb der Vorwurf des „Verschuldens gegen sich selbst“. Das ist auch das Maß an den Grad des Verschuldens, den das Entgeltfortzahlungsgesetz für die Versagung der Fortzahlung verlangt.
Leichtfertigkeit und Vorsatz
Schuldhaft im Sinne des Rechts der Fortzahlung handelt deshalb nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Dabei ist von einem objektiven Maßstab auszugehen. Erforderlich ist hier ein grober oder gröblicher Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen und damit ein besonders leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten. Bei Verkehrsunfällen liegt ein den Anspruch auf Fortzahlung ausschließendes Verschulden immer dann vor, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten als Verkehrsteilnehmer vorsätzlich oder in besonders grober Weise fahrlässig missachtet.
Aus den genannten Gründen durfte im geschilderten Sachverhalt der Arbeitgeber mit Recht die Fortzahlung der Vergütung trotz Krankheit des verunfallten Arbeitnehmers verweigern. Zur Krönung des Ganzen hat er ihm auch noch die Kündigung präsentiert. Auch dies geschah in rechtlich zulässiger Weise.
Zuviel Risikofreude in der Freizeit kann also durchaus auch finanzielle Konsequenzen haben. Denn die Entgeltfortzahlung ist trotz des Rechtsanspruchs kein unbedingter Selbstläufer.