Schadensersatz bei verspäteter Lohnzahlung?
Leistung und Gegenleistung, so lautet das Prinzip im Vertragsrecht. Auch jedes Arbeitsverhältnis folgt diesem Prinzip. Allein die Fälligkeit der gegenseitigen Pflichten fällt zeitlich auseinander. In der Regel ist der Arbeitnehmer zur Vorleistung seiner Arbeitskraft verpflichtet. Der Arbeitgeber schuldet hiernach das vereinbarte Entgelt. Der Zahlungstermin ist vertraglich geregelt.
Versäumt der Arbeitgeber aber die rechtzeitige Vergütung, so gerät er als Schuldner in Zahlungsverzug.
Das wiederum bedeutet, dass die geschuldete Summe zu verzinsen ist. Doch das nützt dem Arbeitnehmer nur wenig, wenn er am Monatsanfang seine Miete, seine Kreditraten, seine Versicherungen und vieles andere mehr bezahlen muss. Da kommt so mancher bei ausbleibender Lohnzahlung ins finanzielle Schlingern. Doch die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches eröffnen daneben auch Raum für Schadensersatzansprüche. Damit sollen Schäden ausgeglichen werden, die ein Verzug des Schuldners verursacht.
Das kann also letztlich auch für den Chef teuer werden.
Berufen wird sich dabei auf die im Jahre 2014 zusätzlich eingefügte Regelung des § 288 Absatz 5 BGB. Dort wird ein pauschalierter Schadensersatz von 40 Euro festgeschrieben, wenn der Schuldner in Verzug gerät. Diese Pauschale kann zusätzlich zum tatsächlich entstandenen Schaden geltend gemacht werden. Die Pauschale ist auf den Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
Ob diese Regelung auch im Arbeitsrecht Anwendung finden darf, das ist reichlich umstritten. Das Landesarbeitsgericht Köln bejahte einen solchen Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens grundsätzlich auch für Fälle verspäteter Zahlungen durch den Arbeitgeber (LAG Köln, AZ: 12 SA 524/16). In der Begründung seiner Auffassung stellte das Gericht fest, dass es sich bei der 40-Euro-Pauschale um eine Erweiterung der gesetzlichen Regelungen zum Verzugszins handelt. Insbesondere der Zweck der gesetzlichen Neuregelung, nämlich die Erhöhung des Drucks auf den Schuldner, Zahlungen pünktlich und vollständig zu erbringen, spricht für eine Anwendbarkeit zugunsten von Arbeitnehmern, die ihren Lohn unpünktlich oder unvollständig erhalten.
Das Bundesarbeitsgericht fühlte sich berufen, dem sehr deutlich zu widersprechen BAG, AZ: 8 AZR 28/18).
Die obersten Arbeitsrichter betonten, dass ein solcher Schadenersatzanspruch bei verspäteter Lohnzahlung zwar besteht, dessen Geltendmachung aber immer an § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) scheitert. Nach dieser Regelung sind die Kosten arbeitsgerichtlicher Streitigkeiten im ersten Rechtszug nicht erstattungsfähig. Dieser Grundsatz wird auch auf außergerichtliche Ansprüche ausgedehnt. Sie lehnten mit dieser Begründung also jegliche Geltendmachung eines Verzugsschadens im Arbeitsrecht ab.
Doch in Köln bleiben die Arbeitsrichter kämpferisch. In einem neueren Urteil zur Verzugspauschale sprachen sich die Richter des dortigen Arbeitsgerichts wiederum für eine rechtmäßige Geltendmachung der Verzugspauschale aus ( ArbG Köln, AZ: 8 Ca 4245/18). Dabei setzten sie sich natürlich auch mit der ablehnenden Auffassung der obersten deutschen Arbeitsrichter auseinander. Den Kölner Arbeitsrichtern geht es augenscheinlich ums Prinzip und dem könnten durchaus weitere Gerichte folgen.
Die kontroverse Begründung dieser neuen Entscheidung lässt zumindest aufhorchen:
So argumentieren die Richter mit Blick auf die Verzugsregelung des § 288 Absatz 5 BGB, dass eine solche bundesgesetzliche Regelung nicht einfach unbeachtet bleiben darf. Immerhin zeigt sich darin der klare Wille des Gesetzgebers. Dieser kann nicht durch eigene Auffassung eines Gerichts umgangen oder durch eigene Konstruktionen ersetzt werden. Im Zweifelsfall muss eine rechtliche Regelung so angewendet werden, wie sie im Gesetz steht. Insofern berufen sich die Kölner Richter auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung. Auch dort stand die Umdeutung gesetzgeberischer Vorgaben in Rede.
Darüber hinaus argumentieren die Arbeitsrichter in Köln, dass die Regelung zum Verzugsschaden deutlich neuer ist als die des § 12a ArbGG. Insofern würde die neuere Regelung ohnehin eine entgegenstehende ältere Regelung aufheben. Die Juristen sprechen dabei von Verdrängung.
In jedem Fall bleibt spannend, wie sich andere Arbeitsgerichte in Deutschland bei dieser Thematik positionieren. Im Notfall kann es für den Chef teuer werden: Bei mehreren hundert Beschäftigten summiert sich eine Strafzahlung im Verzugsfall beträchtlich.