
Sexuelle Identität und Benachteiligung
Diskriminierung und Benachteiligung spielen immer noch eine beachtliche Rolle in unserer Gesellschaft. Dabei sind die Konsequenzen hierfür gesetzlich geregelt. Doch noch viel zu selten wird sich auch darauf berufen. Oft sind es lediglich die krassesten Verstöße, die auch eine Ahndung erfahren.
Benachteiligung und Entschädigung
Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungs-Gesetz (AGG) setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Verbot der Benachteiligung voraus. Danach ist eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Motivs untersagt, also auch dann, wenn Geschlecht und sexuelle Identität als Gründe gelten. Die Regelung des § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung dann vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.
Im Hinblick auf eine bei einer Einstellung zu treffende Auswahlentscheidung des Arbeitgebers, befinden sich Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben. Deshalb kommt es, sofern ein Bewerber vorab ausgenommen und damit vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wurde, nicht zwangsläufig und ausschließlich auf den Vergleich mit dem letztlich eingestellten Kandidaten an.
Bei einem Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen, § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Bewerberin auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen sieht § 22 AGG eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor.
Entlastungen bei der Beweisführung
Diese Beweislastumkehr stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem entsprechenden Urteil (8 AZR 421/14) noch einmal deutlich heraus: Ein Hersteller von Designerschmuck hatte in dem zu entscheidenden Fall von einer Zeitarbeitsfirma eine transsexuelle Bewerberin vermittelt bekommen, die er nach dem Vorstellungsgespräch ablehnte. Der zuständige Mitarbeiter des Unternehmens, der Logistikleiter, hatte die Klägerin zunächst nicht als die zum Termin geladene Bewerberin wahrgenommen, sondern war auf der Suche nach einer Frau. Die Bewerberin verlangte nach erfolgter Absage eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Zu Recht, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG).
Das BAG stellte klar, dass die abgelehnte Bewerberin den Grund für ihre Ablehnung, also die Motivation des Arbeitgebers, nicht beweisen muss. Die Bewerberin muss nur Indizien vortragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sie als transsexueller Mensch wahrgenommen und deshalb benachteiligt worden ist. Im Verfahren wurde auch die Frage beantwortet, ob Transsexualität im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dem Merkmal „Geschlecht“ oder dem Merkmal „sexuelle Identität“ zugeordnet werden muss.
Das BAG führte dazu aus, dass gemäß der Gesetzesbegründung unter den Begriff „sexuelle Identität“ homosexuelle Männer und Frauen ebenso wie bisexuelle, transsexuelle oder zwischengeschlechtliche Menschen fallen. Nach einer entsprechenden Richtlinie der Europäischen Union fällt Transsexualität aber unter den Begriff „Geschlecht“. In unionsrechtskonformer Auslegung des § 1 AGG wird die Transsexualität demnach sowohl vom Grund „Geschlecht“ als auch vom Grund „sexuelle Identität“ umfasst, stellte das BAG klar. Das erleichtert zukünftige Klagebegründungen erheblich.