Angemessene Vergütung für die Nachtarbeit

Angemessene Vergütung für die Nachtarbeit

Angemessene Vergütung für die Nachtarbeit

Nachtarbeit ist beschwerlich und bedarf deshalb auch zusätzlicher Anreize. Geregelt ist das im Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Dort spricht man in § 6 Absatz 5 ArbZG von einem angemessenen finanziellen Zuschlag. Alternativ können als Ausgleich für die Mehrbelastung durch Nachtarbeit auch zusätzliche arbeitsfreie Tage gewährt werden. Über die konkrete Höhe der Schichtzulagen für die Nachtarbeit oder über die Anzahl der freizugebenden Tage schweigt sich das Gesetz aus. Dies zu regeln ist Sache der Tarifparteien oder Verhandlungsgegenstand zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Vereinbarung der arbeitsvertraglichen Konditionen.

Gerechte Höhe bietet Streitpotenzial

Es liegt in der Natur der Sache begründet, dass die Höhe der Zuschläge für die Nachtarbeit auch zum Streit führen kann. Der Beschäftigte eines Transportunternehmens beispielsweise stritt über den angemessenen Ausgleich mit seinem Arbeitgeber bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG). Als Fahrer hatte er regelmäßig Nachtschicht von 20 Uhr abends bis 6 Uhr morgens. Für die Arbeitszeiten nach 21 Uhr zahlte ihm das Unternehmen einen Zuschlag von zunächst 11 Prozent zum vereinbarten Bruttolohn, später dann 20 Prozent. Doch das genügte dem Beschäftigten nicht. Er verlangte stattdessen einen 30-prozentigen Lohnzuschlag für die Nachtarbeit. Hilfsweise wäre er auch mit zwei zusätzlichen freien Tagen für jeweils 90 geleistete Stunden Nachtarbeit zufrieden gewesen. Doch der Arbeitgeber war zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit.

Da in diesem Fall kein Tarifvertrag galt, musste vom Gericht die etwas oberflächliche gesetzliche Regelung des Arbeitszeitgesetzes entsprechend ausgelegt werden. Das BAG hat mit dieser Entscheidung für etwas mehr Klarheit gesorgt, was in derartigen Fällen angemessen ist. Wer während der Zeit zwischen 23:00 Uhr abends und 06:00 Uhr morgens arbeiten muss, kann einen Zuschlag von regelmäßig 25 Prozent auf den normalen Bruttolohn verlangen. Doch nur dann, wenn es keine tariflich festgelegten Ausgleichsregelungen gibt.

Keine starren Vorgaben 

Das allerdings ist auch nur ein Richtwert, von dem begründet abgewichen werden kann. Ist die Nachtarbeit weniger belastend, als es durchschnittlich der Fall ist, beispielsweise weil sie aus Bereitschaftsdienst besteht, kann der Zuschlag geringer ausfallen. Für Dauernachtarbeit allerdings hält das BAG einen Zuschlag von sogar 30 Prozent für angemessen.

Da der klagende Lkw-Fahrer in diesem Fall über einen längeren Zeitraum dauerhaft vor allem nachts eingesetzt worden war, hatte er also Anspruch auf den 30-prozentigen Nachtzuschlag zu seinem vereinbarten Bruttolohn (BAG, Az.: 10 AZR 423/14).

Nun könnte man glauben, damit waren die Fronten geklärt und ähnliche Konstellationen haben sich an diesen Vorgaben orientiert. Doch weit gefehlt: Auch in den Folgejahren musste sich immer wieder auch das Bundesarbeitsgericht mit den Nachtzuschlägen bei dauerhafter Nachtarbeit beschäftigen. Dabei wiederholte das oberste deutsche Arbeitsgericht seine Auffassung, dass regelmäßig 30 Prozent Nachtzuschlag angemessen sind ( beispielhaft: BAG, Az: 5 AZR 25/17 für Zeitungszusteller und BAG, Az: 10 AZR 230/19 für Dauernachtwache in Wohneinrichtung).

Tarifvertrag bietet weitere Möglichkeiten

Doch damit nicht genug: Inzwischen gab es mehrere tausend Verfahren in Deutschland, die Zuschläge für die Nachtarbeit zum Gegenstand hatten. Dabei ging es vor allem um Gleichbehandlungen und natürlich auch um die Höhe. Hier war man inzwischen bei 50 und 60 Prozent angelangt. Doch ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes zu Fragen unterschiedlicher Höhe tariflicher Nachtarbeitszuschläge blieb aus (EuGH, AZ: C-257/21 und C-258/21). Das Gericht erklärte seine Unzuständigkeit, so dass auch hier wieder das Bundesarbeitsgericht gefragt war.

Dieses entschied nunmehr in einem Grundsatzurteil, dass in Tarifverträgen für gelegentliche Nachtarbeit höhere Zuschläge vorgesehen sein können als für regelmäßige Nachtarbeit. Die Ungleichbehandlung muss aber durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein (BAG, Az: 10 AZR 332/20). Dabei ging es um die Klage einer Arbeitnehmerin aus der Getränkeindustrie, die sich bezüglich der Zuschläge ungerecht behandelt fühlte. Der auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag regelt, dass der Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit 20 Prozent und für unregelmäßige Nachtarbeit 50 Prozent der Stundenvergütung beträgt. Die Mitarbeiterin arbeitet im Schichtmodell und erhält danach regelmäßig einen Zuschlag von lediglich 20 Prozent für die Nachtarbeit. Darin sah sie einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Nach ihrer Ansicht sind Arbeitnehmer, die regelmäßig nachts arbeiteten, viel höheren Gesundheitsgefährdungen und Störungen ihres sozialen Umfelds ausgesetzt als Beschäftigte, die nur gelegentlich Nachtarbeit leisteten.

Das höchste deutsche Arbeitsgericht sah das aber anders. Es urteilte, dass eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist. Hier sollten mit der tarifvertraglichen Vereinbarung eines höheren Zuschlages für gelegentliche Nachtarbeit nicht nur die Belastungen durch die Nachtarbeit sondern auch die Belastungen durch die geringere Planbarkeit unregelmäßiger Beanspruchung ausgeglichen werden. Dies ist nach Ansicht der obersten Arbeitsrichter ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung und damit zulässig.

 

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Bild von roegger auf Pixabay