Viele Halbwahrheiten beim Thema Zeitarbeit

Viele Halbwahrheiten beim Thema Zeitarbeit

Gesundheitsminister Lauterbach hat die Zeitarbeit in der Altenpflege als Feindbild auserkoren und möchte sie mittels Gesetz möglichst unattraktiv machen. Künftig sollen die Träger der Alten- und Pflegeheime nur noch die Personalkosten abrechnen können, die auch für die Stammbelegschaft anfallen. Dagegen regt sich Kritik von vielen Seiten, denn diese Pläne schießen am eigentlichen Problem weit vorbei. Da die Zeitarbeit in Politikerkreisen aber zumindest offiziell als „Schmuddelkind“ der Wirtschaft gilt, schien dieser Weg unproblematisch.

Doch beim Thema Zeitarbeit gibt es schon immer viele Halbwahrheiten, an denen man sich argumentativ und dabei vor allem polemisch entlang hangelt. Generell wird bei dieser Thematik gern ein Wirrwarr an Begriffen und Zahlen verursacht, deren Seriosität eher an Taschenspielertricks im Halbdunkel erinnert. Auf diesen Zug fragwürdiger Argumentation sprangen in den vergangenen Jahren immer mehr vermeintliche Verächter der Branche auf. Die Regulierungswut schien bei der Zeitarbeit keine Grenzen mehr zu kennen. Man war der Meinung, der Staat müsse die Menschen vor dieser Form der Arbeitsorganisation mit allen Mitteln schützen. Das ist bezeichnend für den allgemeinen Umgang mit diesem Wirtschaftszweig, ein differenziert klares Bild soll beim Thema Zeitarbeit gar nicht erst entstehen.

Das fängt schon beim Begriff an: Die Gegner dieser Form der Beschäftigung sprechen gerne von Leiharbeit. Dieser Begriff aber zielt allein darauf, die negativen Details in ihrer Wirkung noch zu verstärken. Denn eine solche Bezeichnung ist juristisch und faktisch komplett falsch.

Die Leihe ist ein rechtlich geregeltes Verhältnis über eine Sache (§ 598 BGB).

So kann man Autos verleihen, Geld oder Bücher, solange dies unentgeltlich geschieht. Nicht verleihen kann man Menschen, auch nicht vertraglich gebundene Mitarbeiter. Schon gar nicht unentgeltlich, aber nur das würde die Überlassung als Leihe kennzeichnen. Der Begriff „Leiharbeit“ diffamiert also nicht nur das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis, er wertet die knapp 1 Mio. Mitarbeiter einer Branche pauschal herab. Man könnte die permanente Falschbezeichnung aber auch als bewusste Provokation verstehen.

Zutreffender und vor allem passender ist allemal die Bezeichnung als Zeitarbeit.

Dabei ist aber nicht von Arbeit auf Zeit die Rede, sondern von Personalgestellung auf Zeit. Zeitarbeit ist ein flexibles Instrument der Wirtschaft, aber auch der Verwaltung, um auf Bedarfsschwankungen zu reagieren. Der Mitarbeiter eines Zeitarbeit-Unternehmens ist also dort fest und in der Regel unbefristet angestellt. Sein Arbeitsort ist bedarfsorientiert bei Drittunternehmen. Die arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Schutzgesetze gelten selbstverständlich in gleichem Umfang, wie bei anderen Beschäftigten auch. Zugegeben, wechselnde Arbeitsplätze sind nicht jedermanns Sache, aber deshalb ist die Arbeit nicht schlechter. Selbst die öffentliche Verwaltung und oberste Bundesbehörden nutzen und betreiben selbst Zeitarbeit. Manche öffentliche Debatte trägt also durchaus schizophrene Züge.

In einem ähnlichen Kontext muss man die immer wieder veröffentlichten Zahlen betrachten.

Wenn Zeitarbeiter durchschnittlich nur etwa 58 Prozent dessen verdienen, was in den übrigen Branchen dem Durchschnitt entspricht, so bleibt auch diese verkürzte Darstellung deutlich hinter ehrlicher Argumentation zurück. Gerade über die Beschäftigung in der Zeitarbeit werden überproportional viele Langzeitarbeitslose oder minderqualifizierte Arbeitskräfte in Helfer-Bereichen eingesetzt. Natürlich bekommen sie auch tarifliche Entgelte. Doch können diese nicht an das Niveau von Fachkräften heranreichen. Insofern ist dieser Vergleich wenig aussagekräftig. Schließlich stellt man auch keinen wertenden Vergleich zwischen den Verdiensten der Gebäudereiniger und denen der Fachkräfte in der Automobilindustrie her.

Zum anderen reguliert sich der Markt bekanntermaßen am besten selbst.

Gerade in der Alten- und Krankenpflege ist bereits seit geraumer Zeit ein Trend hin zur deutlich besser bezahlten und ausgestatteten Zeitarbeit zu verzeichnen. Die vielfach so gescholtenen Personaldienstleister bieten den Fachkräften genau die Arbeitssituation, die von ihnen präferiert wird: Verbindliche Dienstpläne, auskömmliche Löhne und planbare Freizeit.

Dass nicht überall der Equal-Pay-Gedanke, also gleicher Lohn für gleiche Arbeit durchgängig und von Beginn an zum Tragen kommt, ist kein besonderes Merkmal der Zeitarbeit. Doch gerade hier hatte man sich auf die gesetzliche Festschreibung des Gedankens geeinigt. Ausgehebelt werden kann das, gesetzlich legitimiert, durch die Möglichkeit anderweitiger tariflicher Regelungen. Dass es teilweise noch auffällige Abweichungen bei den Verdiensten im Bereich der Fachkräfte gibt, ist also auch und vor allem unter Mitwirkung des DGB als Tarifpartei entstanden. Man wird sich wohl auch in Gewerkschaftskreisen etwas dabei gedacht haben, die Zeitarbeit als Tarifpartner anzuerkennen.

So war die Gewerkschaft beispielsweise auch in der Metall- und Elektroindustrie sehr früh als Tarifvertragspartei behilflich, dort von der neuen 18-Monats-Höchstüberlassungsgrenze abzuweichen. Im Geltungsbereich des extra formulierten Tarifvertrages TVLeiZ, können Betriebe von dieser neuen gesetzlichen Grenze abweichen, für eine Dauer von 36 Monaten, 48 Monaten und gar weit darüber hinaus. Nach einem unbedingt gewollten AUS für die Zeitarbeit klingt das nicht.

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