Teurer Fehler in der Stellenanzeige
Verfassungsgrundsätze und Grundrechte rückten in den letzten Jahren mit Vehemenz ins Bewusstsein vieler Menschen. Selten wurden Begriffe wie Verhältnismäßigkeit, Geeignetheit und Erforderlichkeit von staatlichem Handeln derart breit thematisiert. Plötzlich erinnerte man sich an die Geltung von Regeln, die man selbstverständlich für unumstößlich hielt. Das führt unweigerlich von der allgemeinen Betrachtung hin zum Besonderen, so dass auch die (profane) Stellenanzeige dabei ins Blickfeld geraten muss.
Die Deutschen lieben ihre Grundrechte. Garantieren diese ihnen doch unveräußerliche Freiheits- und Gleichheitsrechte, dauerhaft und einklagbar. Wie wichtig diese Garantien sind, merkt der Einzelne erst, wenn sie eingeschränkt werden.
Dabei verpflichten die Grundrechte einzig den Staat gegenüber seinen Bürgern. Doch damit kann es natürlich nicht sein Bewenden haben. Um deren Geltung auch in andere Bereiche des Lebens zu übertragen, bedarf es immer einer gesetzlichen Regelung. So beispielsweise präzisiert das Allgemeine Gleichheitsgesetz (AGG) mit seiner Geltung den in Artikel 3 der Verfassung normierten allgemeinen Gleichheitssatz. Danach ist ohne sachlichen Grund eine Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt. Dem Gleichbehandlungsauftrag des Grundgesetzes wird somit auch für das Verhalten der Bürger untereinander rechtlich verbindliche Geltung verschafft.
Diskriminierung in der Stellenanzeige
Liest man sich nun aber mit der nötigen Aufmerksamkeit mal eine Stellenanzeige durch, dann muss man am Verständnis dieser allgemeinen Regeln zweifeln. Dabei wird das gesamte Procedere der Stellensuche, so auch die Formulierung der Stellenanzeige, heute vielfach schon von Agenturen erledigt. Man sollte erwarten können, dass dort die Einzelheiten zum AGG bekannt sind und das entsprechende Fehler vermieden werden. Denn das AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Bei zu viel Nachlässigkeit kann es teuer werden.
Die Schwelle zur Diskriminierung ist schnell überschritten und eröffnet einen Anspruch auf Schadensersatz für die Betroffenen. Dass dabei nicht in erster Linie sogenannte Bewerber-Hopper in Erscheinung treten, sondern wirklich benachteiligte und verärgerte Bewerber, auch das sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Die wichtigsten Ausführungen hierzu muss man heute kennen, um nicht jedes Mal die Gratwanderung zur Haftung zu vollziehen. Die Rechtsprechung vor allem des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu dieser Thematik ist für jeden Schöpfer einer Stellenanzeige Pflicht.
So sind Begriffe wie „frisch gebackener Absolvent“, „Berufseinsteiger“ oder auch „Young Professional“ durchaus verfänglich, nehmen sie doch deutlich Bezug auf das Alter der Bewerber. Aber auch hier macht sich immer wieder Ignoranz breit, Diskriminierung in all ihren Facetten ist an der Tagesordnung. Dass damit Grundrechte Einzelner tagtäglich mit Füßen getreten werden, auch das fällt erst bei kollektivem Aufschrei auf. Oder eben bei einer Gerichtsentscheidung, die einen derartigen Verstoß ahndet und mit einer Schadensersatzzahlung bestraft.
Schadensersatz bei Nachlässigkeit
So geschehen auch bei einer Stellenanzeige, über die das Landesarbeitsgericht Nürnberg zu befinden hatte (LAG Nürnberg, AZ. 2 Sa 1/20): Ein Arbeitgeber hatte eine Stellenanzeige geschaltet, mit der nach einem „Berufseinsteiger in einem jungen, hoch motivierten Team“ gesucht wurde. Auf diese Stellenanzeige bewarb sich auch ein 61-jähriger Spezialist mit ausgewiesener beruflicher Expertise. Der Arbeitgeber lehnte die Bewerbung im Rahmen einer Vorauswahl per E-Mail mit der Begründung ab, sich für andere Bewerber entschieden zu haben, die das spezielle Anforderungsprofil noch besser erfüllten.
Der abgelehnte Bewerber fühlte sich wegen seines Alters diskriminiert. Offensichtlich passte er mit seinen 61 Jahren nicht in das in der Stellenanzeige beschriebene „junge Team“. Er verlangte von dem Arbeitgeber eine Entschädigung wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Der Arbeitgeber lehnte dies ab und argumentierte, dass sich die Stellenanzeige nicht nur an junge Bewerber gerichtet habe, sondern lediglich Informationen darüber liefern sollte, dass das Team selbst noch nicht lange Zeit besteht, also „jung“ ist. Allenfalls könne man die Anzeige so verstehen, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb hochmotiviert sind.
Den abgelehnten Bewerber überzeugte das nicht und es kam zum Rechtsstreit. Das Gericht gab dem Bewerber auch in der Berufungsinstanz Recht und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern an den abgelehnten Bewerber.
Auf die Formulierung kommt es an
Die Formulierung in der Stellenanzeige „junges, hochmotiviertes Team“, bewirkte nach Überzeugung des Gerichts eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters, damit einen Verstoß gegen § 11 AGG. Der Begriff „jung“ knüpft nach Überzeugung der Richter unmittelbar an das Lebensalter an. Diese Bezugnahme wurde darüber hinaus noch durch die Verbindung mit dem Begriff „hochmotiviert“ verstärkt. Damit wird eine Eigenschaft beschrieben, die eher mit jüngeren als mit älteren Menschen im Zusammenhang steht.
Wird in einer Stellenanzeige darauf hingewiesen, dass eine zukunftsorientierte Mitarbeit in einem „jungen hochmotivierten Team“ geboten wird, informiert dieser Hinweis nicht nur potentielle Bewerber darüber, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb hochmotiviert sind. Er ist vielmehr so zu verstehen, dass eine Person gesucht wird, die in das Team passt, weil sie ebenso jung und hochmotiviert ist wie die vorhandenen Teammitglieder. Eine Auslegung als bloße Information darüber, dass das Team selbst noch nicht lange Zeit besteht, ist fernliegend, wenn dies nicht zugleich in der Stellenanzeige erläutert wird. Ansonsten kann eine solche Formulierung nur bezwecken, einen zum vorhandenen Team passenden – und damit jungen – neuen Beschäftigten zu gewinnen.
Die Gerichtsentscheidung fügt sich in die Linie der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nahtlos ein. Es genügt, dass der Grund nach § 1 AGG mit ursächlich für die Diskriminierung war. Er muss nicht das alleinige Motiv oder gar das Hauptmotiv darstellen (so auch BAG, AZ: 8 AZR 454/15 und BAG, AZ: 8 AZR 406/14).